Das erste Heilige Jahr 1300

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Nachdem Jerusalem im Jahr 1244 für die Kreuzfahrer verloren ging, wurde es für Christen sehr schwer oder gar unmöglich, dorthin zu pilgern, um einen „vollkommenen Ablass“ zu erlangen. Die Hoffnung richtete sich immer mehr auf Rom, den geistigen Mittelpunkt des Abendlandes in jener Zeit. Man erwartete um die Jahrhundertwende ein außergewöhnliches Ereignis, eine besondere Gnade.

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Giotto: Bonifatius VIII. eröffnet das erste Heilige Jahr

Der Gedanke lag in der Luft und das Gerücht verbreitete sich, dass an Weihnachten 1300 (das neue Jahr begann damals am Weihnachtstag, nicht am 1. Januar) ein besonderer Ablass in Rom erteilt würde. Die Peterskirche konnte die Menschen gar nicht alle fassen, die sich nach Rom aufgemacht hatten, um mit einem Schlag alle ihre Sündenstrafen loszuwerden. Es handelte sich um eine echte Volksbewegung. Sie wurden nicht vom Papst gerufen, niemand hatte ihnen etwas versprochen.

Der damalige Papst Bonifatius VIII. wusste zunächst gar nicht, was er mit den Scharen von Pilgern anfangen sollte. Ein christliches Heiliges Jahr hatte es noch nie gegeben, obwohl einige Pilger es behaupteten und Bonifatius es schließlich selbst zu glauben schien. Die Bulle, mit der er nach zweimonatigem Zögern das erste Heilige Jahr eröffnete, beginnt mit den Worten: „Der glaubwürdige Bericht der Alten sagt, dass jenen, welche die ehrwürdige Basilika des Apostelfürsten“ – also die Peterskirche – „betreten, große Verzeihungen und Nachlässe gewährt werden“. Giotto, selbst Zeuge der damaligen Ereignisse, hat die Szene festgehalten, wie Bonifatius VIII. segnend auf der Loggia steht, während ein Diakon die Verkündigungsbulle verliest.

Die Bedingung für die Erlangung des vollkommenen Ablasses war außer Beichte und Kommunion der Besuch der beiden Apostelgräber in der Peterskirche und in St. Paul vor den Mauern. Die Einheimischen mussten sie 30 mal an 30 verschiedenen Tagen besuchen, die Fremden 15 mal an 15 verschiedenen Tagen.

Der einzige Zugang nach St. Peter war damals die Engelsbrücke. Schon im Jahr 1300 war der Andrang so groß, dass der Einbahnverkehr eingeführt werden musste, wie Dante in seiner „Göttlichen Komödie“ berichtet. Hinter der Engelsbrücke richtete sich der Vatikan wie eine Festung auf. Das Tor durch die Leoninischen Mauern bei der Engelsburg wurde erweitert und ein Laubengang zum Petersplatz angelegt, der damals noch eine schmucklose, unregelmäßige Form hatte. Der Blick auf die Kirche war verdeckt durch die Papstloggia und die Vorhalle. Die Fassade der Kirche war mit Mosaiken auf Goldgrund geschmückt. Innen war die alte Peterskirche eine fünfschiffige Basilika, wie noch heute St. Paul vor den Mauern, nur war sie den Berichten nach größer und noch schöner. Das Petrusgrabmal war mit hohen Schranken und gedrehten Marmorsäulen umgeben. Ein Altar nach dem anderen war darüber errichtet worden, so dass niemand mehr Zugang zu dem Grab hatte, aber auch niemand bezweifelte, dass es sich darunter befinden würde. Die Apsis war auf Veranlassung von Kaiser Konstantin mit Mosaiken geschmückt worden.

Wenn Chronisten von einer oder gar zwei Millionen Pilgern sprechen, die damals nach Rom gekommen seien, darf man das nicht ganz so wörtlich nehmen. Rom besaß zu der Zeit keine 50.000 Einwohner und hätte unmöglich eine Million Pilger in einem Jahr aufnehmen können, die allesamt 15 Tage bleiben mussten. Es wäre auch unmöglich gewesen, die Zahl zu erfassen.

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Rom im 15. Jahrhundert aus der Weltchronik Hartmann Schedels

Der Holzschnitt zeigt das mittelalterliche Rom. Rechts die Engelsburg, dahinter der Vatikan. Etwas links von der Mitte sieht man das Pantheon und daneben die Marc-Aurel-Säule. Die Kirche in der Mitte ist Santa Maria in Trastevere.

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