Der Schildkrötenbrunnen II

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Fortsetzung des Textes „Der Schildkrötenbrunnen“ von Peter Gayer. Die erste Seite dieses Textes können Sie hier lesen.

Landini ließ die vier Jünglinge ohne sichtbaren Grund ihre Arme zum Rand der Brunnenschale hinaufheben. Der Brunnen stand schon fast hundert Jahre, als man auf die Idee kam, die Bewegung der Figuren durch den Zusatz der Tiere zu rechtfertigen, die jetzt ihre Köpfchen zum Wasser hinstrecken. Wer auf die Idee kam, ist nicht überliefert, manche meinen, Bernini habe hier seine Hand im Spiel gehabt. Diese harmonische Ergänzung hat den Brunnen erst wirklich vollendet, gleichzeitig aber anfällig für Diebstahl gemacht.

1906 wurden die Schildkröten zum ersten Mal gestohlen, aber wiedergefunden. Während des letzten Weltkrieges baute man aus Sicherheitsgründen den Brunnen ab, dabei verschwanden wiederum die Schildkröten. Per Zufall fand man sie später im Laden eines Trödlers. Der letzte Diebstahl ereignete sich 1981, als eine der Schildkröten entwendet wurde, die seitdem nicht mehr aufgetaucht ist. Die verbliebenen drei Originale brachte man aus Sicherheitsgründen in die Kapitolinischen Museen, an deren Stelle traten Kopien.

(Foto)
Die Fontana delle Tartarughe
Foto: photoroma.com

Vom Auftraggeber, einer der Mattei-Herzöge, gibt es noch eine Anekdote zu erzählen, wie es zur Aufstellung des Brunnens kam: Die Mattei waren sehr reich, man muß sich nur umsehen, die fünf Paläste, die sich im Viertel um die Piazza befinden, gehörten einst dieser Familie. Der Herzog war jedoch der Spielleidenschaft verfallen, eines Abends verlor er sein Vermögen und den Palast dazu. Als sein zukünftiger Schwiegervater davon hörte, ließ er dem Herzog ausrichten, daß er nicht die Absicht habe, seine Tochter mit einem „Hungerleider“ zu verheiraten. Den cholerischen Herzog ärgerte diese Nachricht furchtbar, er lud den Schwiegervater samt Tochter daraufhin für den nächsten Tag in seinen Palast ein, ordnete aber an, daß sie das Gebäude nicht über die Piazza Mattei betreten durften. Im Palast führte er beide in einen Raum mit verschlossenen Fenstern, von denen er eines öffnete. Den verdutzen Besuchern bot sich eine überraschende Aussicht: Ihr Blick fiel auf den Brunnen in der Mitte der Piazza, der am Tag zuvor noch gar nicht da war. Der Herzog bemerkte stolz, daß ein „Hungerleider“ so etwas wohl nicht fertig brächte, und der Schwiegervater, peinlich berührt, willigte daraufhin sofort in die Heirat ein. Das besagte Fenster ließ der Herzog zumauern, denn einen so schönen Ausblick sollte kein anderer mehr genießen.

Wie der Herzog über Nacht den Brunnen herbeizauberte, erzählt eine andere Geschichte: Der Brunnen war eigentlich für den Garten eines unbekannten Adeligen bestimmt, mit dem der Herzog gut befreundet war. So war es für ihn leicht, den Freund zu überreden, den fertigen Brunnen kurzfristig auszuleihen. Aus geheimnisvollen Gründen verblieb der Brunnen bis heute auf der Piazza.

Ob diese Geschichte mit der Heirat und der Ausleihe nun wahr ist oder nicht, es gibt an der Palastwand tatsächlich eine Stelle, an der man noch die Umrisse eines zugemauerten Fensters erkennen kann.

(Text Copyright © 2000 Peter Gayer)

Die Fontana delle Tartarughe befindet sich auf der Piazza Mattei in der Nähe des Largo di Torre Argentina

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